Im Rentnermodus haben wir den letzten Urlaub verbracht: Mit dem durchgehenden Zug nach Salzburg, dort in der Altstadt ins Hotel und nach fünf Übernachtungen wieder retour. Nach einem ersten Tag mit authentischem Schnürlregen folgten herrlich sonnige Herbsttage. Ich hätte es vorher nicht gedacht, aber: Salzburg hat jede Menge Kunst zu bieten, auch zeitgenössische. Vor allem begeistert hat uns „Thick time“ von William Kentridge, eine Ausstellung in beiden Häusern des Museums der Moderne, oben auf dem Mönchsberg und im Rupertinum unten in der Stadt. Ah ja, und was macht der so?
William Kentridge
William Kentridge hat schon immer gerne und viel gelesen. Bücher, Lexika, bilden gelegentlich die Folien, auf denen er seine scherenschnittartigen Figuren agieren lässt, überlebensgroß, mit Symbolen ausgestattet und ihre Handlungen mit Musik unterlegt. Thema ist oft die Apartheid, ein Phänomen, welches ich erst in der weiterführenden Schule erfasst habe. Es war mir vorher unbekannt, dass man Menschen benachteiligen könnte, bloß weil sie eine andere Hautgfarbe haben. Die „Filme“, welche Kentridges Installationen ausmachen, haben mich sofort ins Assoziieren gestürzt und bewegt. Mir fiel „Waiting for the barbarians“ ein, eine Oper, die sich mit der Apartheid auseinandersetzt, vor vielen Jahren ein überwätigender Theaterabend in Erfurt.
Die Arbeiten für das Theater haben mich ebenfalls begeistert; überhaupt hätte ich in diesem Jahr gerne die Salzburger Festspiele besucht, wo u.a. der Wozzeck mit einem Bühnenbild von Kentridge gezeigt wurde. Naja, man braucht ja noch Ziele.
Lois Renner
Im Souterrain des Stadtmuseums begegneten uns die Werke von Lois Renner – wenn ich keine ICOM-Card hätte, wäre ich nicht reingegangen. Das Plakat verhieß Edelkitsch. Tatsächlich aber befasst sich Renner mit dem Künstlersein und seinen Ebenen auf optisch opulente wie subtile Art. Verschobene Perspektiven, Bildzitate, Selbstzitate, alles mit Liebe zum Detail und zum Befremdlichen inszeniert, haben sofort alle Antennen auf Empfang gehen lassen. Schönes Detail der Ausstellung: Die (wenigen) Texte stehen in schwerer und leichter Sprache selbstverständlich nebeneinander für alle zum Lesen bereit.
Außerdem lief noch eine wunderbare Ausstellung zur „Allegorie“ in der Residenzgalerie, das Stadtmuseum zeigte unter der Motto „Erzähl mir Salzburg“ eine kulturhistorisch ausgerichtete Ausstellung voller allerliebster anregender Vermittlungsideen: Volksmärchen in Gebärdensprache, sprechende Fürsten und Buchzitate zum Raten, ein Raum mit unappetitlich vielem Gold …
Aus Zeitmangel heute nur dieser kurze Appetitanreger, samt einer kleinen
Skizze aus Salzburg: Residenzplatz
Knipsende Japaner könnte ich knipsen. Frauen streicheln versonnen lächelnd die seidigen Felle der Kutschpferde. Samtige Nasen suchen Geborgenheit in der Mähne des Nachbarn jenseits der Deichsel.
Dirndl, Fähnchen, Headset – die Stadtführung ist da. Mild scheint die Oktobersonne herunter, auch auf meine Bank. Wie fühle ich mich denn? Ungefähr so wie der Schimmel, der aus dem Schatten seiner Scheuklappen heraus aufmerksam den grünen Wimpel beobachtet. Die fesche Fiakerin posiert stolz neben dem freundlichen Tier – oder umgekehrt?
Es gibt erstaunlich wenig Hundekacke in den Gassen. Das wäre auch zu schade um die extravaganten Schuhe der fashion victims aus aller Welt. Für die Beseitigung der Pferdeäpfel hat man eine Mischung aus Fahrrad und Schubkarre. Die Japanerinnen quietschen, wenn ein Kutschgaul dampfenden Mist vor ihnen auf die Straße platschten lässt. Warum soll ich Salzburg im Sonnenschein sehen dürfen und sie nicht?